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Weblog von tattoo 1976

HERRY NENTWIG DER „HÜTER DES VERLORENEN SCHATZES“

Heribert Nentwig, den meisten nur als Herry bekannt, erhielt seine erste Tätowierung im Jahr 1981 von Henk Schiffmacher in Amsterdam. Über eine Freundin im Motorradclub bekam er Kontakt zu Ralf Guttermann und erwarb seine erste Tätowier-Ausrüstung im Jahr 1983. Zwei Jahre später eröffnete er in Koblenz sein Ladengeschäft, das erste Tätowier-Studio in Rheinland/Pfalz. Auf der Convention 1986 in Dunstable knüpfte er Kontakte zu George Bone und Lal Hardy und wurde 1987 Mitglied im Bristol Tattoo Club. Ab 1987 erwarb Herry seinen Tattoo-Bedarf bei National und ist seitdem Mitglied im National Tattoo Club.
Im Jahr 1995 initiierte Ralf Guttermann in Bingen am Rhein einen Zusammenschluss für Tätowierer, um gegen Hobbytätowierer und Pfuscher vorzugehen. Man wollte „alle Profitätowierer in ein Boot holen“. Als Basis hierzu diente der bereits existierende Verein von Alf Diamond (Frankfurt) C.E.T.U.P. (Central Europes Tattoo und Piercing Experten). So wurde im Jahr 1995 der D.O.T gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern zählten Tommy Köhler, Dieter Zalist, Hans-Joachim Monien (Hängo), Ralf Guttermann (†), Sting Lance, Monique Mataga, Michael Frey, sowie Herry Nentwig. Da bereits 1987 von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in KölnKöln-Tattoos suchen eine Broschüre zur Aids Aufklärung mit dem Hinweis auf hygienemaßnahmen auch für professionelle Tätowierer hingewiesen wurde, war Nentwig bereits im Vorfeld auf dem Gebiet der hygiene tätig.
In Zusammenarbeit mit dem hygiene-Institut Gießen hat Nentwig später Richtlinien zur hygiene und Sterilisation im Tätowier-Betrieb entwickelt. Da allerdings die Politik und Regelwerke nun in Europa gemacht wurden, und nationale Vereinigungen hier kein Mitspracherecht hatten, gründete Nentwig auf der Tattoo Convention Frankfurt 2005 die UETA e.V. (United European Tattoo Assoziation), wo er 10 Jahre als 1. Vorsitzender aktiv tätig war. So kam es 2008 zur ersten Veröffentlichung der von Ihm federführend erstellten hygieneanrichtlinien beim tätowieren. Hierauf wurde dann auch die EU Kommission in Brüssel aufmerksam und kam nach Koblenz, um die Erstellung einer Norm anzuregen. Seit 2015 sitzt Herry im Nationalen Normungsausschuss als 2. Obmann bei der DIN in Berlin um die Richtlinien europaweit zu etablieren. Aufgrund seiner Ausbildung zum Pharmakanten hatte Nentwig die besten Voraussetzungen um die Rolle des hygienewartes zu übernehmen; er war über viele Jahre im Vorstand des DOT tätig und hat sich den Titel „hygienepapst“ redlich verdient; er knüpfte die Verbindungen zu Wissenschaftlern wie Prof. Wille; seiner unermüdlichen Arbeit ist es zu verdanken, dass die heutigen hygienerichtlinien in vielen Sprachen zur Verfügung stehen.

„DER ERSTE KONTAKT“
Auf der National-Convention Meadowlands 1992, die wegen des Verbotes von Tätowierern auf dem Gebiet New York in New Jersey stattfand, lernte er Horst „Samy“ Streckenbach näher kennen.
Herry: „Ich hatte Samy auf den Frankfurter Conventions öfter gesehen. Er taperte immer so rum und war eine imposante Erscheinung. Ich war jedoch noch sehr jung, und habe zu den „Größen der Zeit“ noch Abstand gehalten.“
Im gleichen Zeitraum besuchte Nentwig ein Seminar in Hannover, dass Lyle Tuttle abhielt und es kam abends an der Bar zu einem persönlichen Gespräch, aus dem sich eine jahrzehnte andauernde Freundschaft entwickelte. Sie besuchten sich gegenseitig, hielten gemeinsam Seminare ab; er tauchte immer einmal wieder unangemeldet bei Nentwig im Studio und auch bei ihm privat auf. Dass Tuttle ein uralter Freund von Samy war kam erst im Laufe der Jahre zur Sprache. Leider hatte er keinen Kontakt mehr zu Samy nachdem er seinen Laden aufgab.
Auf der Convention 1999 in Frankfurt erfuhr Tuttle, dass es seinem alten Freund Samy sehr schlecht gehe und er entschloss sich ihn zusammen mit Nentwig zu besuchen. Sie fuhren in die Kurt Schuhmacher Str. 2 und betraten das alte Studio. Dort trafen sie auf „komische junge Leute“, die ihnen lediglich mitteilten „der wohnt noch hier oben drüber“.
Sie gingen zum Hintereingang des Hauses und klingelten. Es dauerte sehr lang bis Samy an die Tür kam und noch länger, bis er begriff, wer vor der Tür stand. Erst als Tuttle ihn überzeugen konnte, dass er -sein alter Freund Lyle- da sei, öffnete Samy. Der Anblick war schockierend; eine völlig verwahrloste Person in einer unvorstellbar verdreckten Umgebung. Nentwig und Tuttle regten auf der Convention in Frankfurt eine Tombola an, mit deren Erlös sorgten sie in der Folgezeit für Sauberkeit, Kleidung und Nahrungsmittel. Dadurch kam Samy wieder in den Medien vor, wodurch auch der amtlichen Betreuer aufmerksam wurde, wen er da überhaupt betreut; die Lage für Samy verbesserte sich erheblich. Er konnte erstmals wieder das Haus verlassen und in einer Gaststätte sitzen, auch erhielt er Besuch u.a. von Brian Everett. Am 29. Juli 2001 ist Sammy Streckenbach gestorben. Die anonyme Urnenbeisetzung wurde durch Sozialamt ermöglicht. Durch widrige Umstände kam Herry mit seinem Kollegen leider zur Beisetzung zu spät am Frankfurter Zentralfriedhof an.

„DER VERLORENE SCHATZ“
Durch Zufall fiel dem amtlichen Betreuer Streckenbachs bei der Auflösung der Wohnung die Telefonnummer von Herry Nentwig in die Hände und er benachrichtigte ihn über den Tod von Samy. Herry fragte nach dem Verbleiben der persönlichen Sachen und bekam die Antwort: „Wenn Sie was heraussuchen möchten, müssen sie sich beeilen“. Herry organisierte einen Kastenwagen und fuhr nach Frankfurt. „Ich hatte nur sehr wenig Zeit. Der Keller, in dem sich die gesamte Technik / Tätowiermaschinen befanden war bereits geräumt und alles war im Müll gelandet. „Ich holte mir vom Betreuer die Genehmigung, dass ich alles was ich brauchen könnte entnehme und es in mein Eigentum übergehen würde. So konnte ich im Chaos der Wohnung einiges zusammenraffen, was mit tätowieren zu tun hatte.“ Zunächst lagerte Nentwig alles in eine Garage ein, da die Ansage der Lebensgefährtin lautete „der stinkende Mist oder ich; das kommt mir nicht in die Wohnung“. Die kläglichen Überreste des Nachlasses eines der bedeutendsten Pioniere der neueren deutschen Tattoo-Geschichte gingen auf eine kleine Odyssee. Explosion und Brand in einer Garage, Umsiedlung in die nächste Garage und weiter in den Keller von Nentwigs Einfamilienhaus.
Immer einmal wieder interessierten sich Personen für Teile des Nachlasses, Herry wollte jedoch nicht verkaufen und die Sammlung in Deutschland behalten. „Ich dachte, ich fülle damit meine Rentnerzeit, dann habe ich etwas Sinnvolles zu tun im Alter; selbst ein großzügiges Angebot von Lyle Tuttle habe ich ausgeschlagen“.
Aufgrund des Hinweises von William Robinson nahm ich Kontakt zu Herry Nentwig auf und besuchte ihn am 14. September 2018. Herry hatte einiges auf der Terrasse ausgebreitet und das Erste was mir in die Hände fiel, war ein Foto von mir selbst aus dem Jahr 1977. Wir sichteten den Bestand und stellten fest, dass doch erhebliche Schäden durch Feuchtigkeit und Lagerung entstanden waren. Zunächst war ich davon ausgegangen, einiges zu kopieren, Daten zu sammeln und ggf. einzelne Bilder / Zeichnungen / Gerät für die Ausstellung in Hamburg leihweise zu übernehmen. Im Laufe des Gespräches wurden wir uns jedoch einig, dass der gesamte Bestand für die deutsche Forschung gesichert werden sollte, bevor einzelne Teile in privaten Sammlungen oder sogar im Ausland untergehen. Nach einigen Tagen Bedenkzeit meldete sich Nentwig und teilte mir seine Bedingungen mit: Sicherung für die deutsche Forschung für Ausstellungen und Publikationen. So übernahm ich am 25. September 2018 -gegen eine „Aufwandsentschädigung“- das Konvolut und alle Verwertungsrechte.

„Wir haben es hier mit der Wiederentdeckung eines Nachlasses zu tun, der sich Jahrzehnte in einem Dornröschenschlaf befand. Wenige Personen wussten von der Existenz der Objekte. Dadurch bestand die Gefahr, dass das Konvolut komplett in Vergessenheit gerät. Oft werden derartige Sammlungen oder Teile davon nach dem Ableben von Inhabern gar entsorgt. Daher ist der Erhalt des Nachlasses von Streckenbach ein großer Glücksfall. Hinzu kommt der erfreuliche Umstand, dass er im Rahmen der Arbeit von Manfred Kohrs erfasst, katalogisiert und archiviert wird. Die gewonnenen Erkenntnisse werden später in Publikationen einfließen und somit einem breiteren Publikum zugänglich.“
Nach dem gesicherten Transport war es zunächst notwendig, die Objekte vorsichtig zu reinigen und anschließend langsam zu trockenen, um noch größere Schäden zu vermeiden. Meine erworbenen Kenntnisse aus der Hospitation und weiteren Mitarbeit im Museum für hamburgische Geschichte kommen jetzt zur Anwendung. Es gilt, alle Objekte für die dauerhafte Verwahrung, Sicherung und Erhaltung von Archivgut vorzubereiten. Erfassung und Dokumentation, teilweise Anfertigung von Kopien und Lagerung in archivgerechte Schutzverpackungen gem. ISO 16245.
Das Konvolut umfasst ca. 3.000 Bilder im DIA Format und Negative, 1.500 Papierabzüge, Skizzen, Entwürfe, Korrespondenz und Privatdokumente. Das erste Vorlagenalbum ab 1948, ein Fotoalbum (vermutlich von Hans Ulrich) und kleinere Fragmente der Technik. Ferner einen kleineren Anteil zu Thema Piercing. Alle Maschinen nebst Technik, Tattoo-Preise und Pokale etc. sind leider verloren. Es sei denn, es meldet sich jemand, der Informationen über den Verbleib von Gegenständen hat.
Diese Arbeit knüpft an aktuelle Entwicklungen an: Mit dem Forschungsprojekt „Der Nachlass des Hamburger Tätowierers Christian Warlich“ (kurz Nachlass Warlich) von Ole Wittmann wurde ein neues Interesse an der deutschen Tätowier-Geschichte geweckt. Mit dem Streckenbachnachlass wird das fortgeführt. Mein Wochenende im Oktober 2018 im Fort Notch mit Lyle Tuttle war die letzte Möglichkeit einen nahen Zeitzeugen intensiv zu befragen. Ich stehe in laufendem Kontakt mit dem US-amerikanischen Piercer und Künstler James-Mark Ward (Jim Ward). Ward gilt innerhalb der Piercing-Szene als einer der Wegbereiter und Mitbegründer des modernen Body Piercing und kannte Samy seit 1976, er „ließ sich in vielen Punkten von Samy inspirieren“.
Teile des Nachlasses Streckenbach werden in der Ausstellung Tattoo-Legenden. Christian Warlich auf St. Pauli im Museum für Hamburgische Geschichte vom 27. November 2019 bis Mai 2020 gezeigt.

(Quelle:Tattoo Kulture Magazine Nr. 33 - Juli/August 4-2019. Text Manfred Kohrs)





HORST STRECKENBACH -TATTOO-SAMY- „DER VERGESSENE PIONIER“

HORST STRECKENBACH  -TATTOO-SAMY- „DER VERGESSENE PIONIER“
 

Horst Helmut Streckenbach wurde am 5. August 1925 in Weißwasser (Oberschlesien) geboren. Er besuchte die Volksschule in Häslicht, dem heutigen Kostrza in Polen. Dort hatte er bei einem Ausflug an die Neiße Binnenschiffer getroffen, die tätowiert waren und beschloss Tätowierer zu werden. Bereits in der Schulzeit begann er Mitschüler von Hand (Pikern) mit kleinen Motiven zu versehen. Nach dem Abschluss der Schule absolvierte er von 1940 bis 1943 eine Lehre zum Autoschlosser.
Ab 1943 war Streckenbach Soldat in der Wehrmacht und wurde zuletzt in Italien eingesetzt. Durch eine Granatenexplosion weitestgehend erblindet, geriet er in Frankreich in alliierte Gefangenschaft und wurde aufgrund seiner Verwundung in die USA transportiert. Dort durchlief er verschiedene Gefangenenlager. Zuletzt war er in einem Lager bei San Francisco untergebracht. Dort erhielt er 1946 eine Hornhauttransplantation und somit das Augenlicht zurück. In dieser Zeit bekam er von den amerikanischen Bewachern den Spitznamen Samy und lernte am Lagerzaun den damals siebzehnjährigen Lyle Tuttle kennen. Sie stellten fest, dass sie mit dem tätowieren gemeinsame Interessen hatten und es entwickelte sich eine Freundschaft, die bis zum Ableben Samy´s im Jahr 2001 halten sollte. Um 1950 reiste Samy in die USA um über Lyle Tuttle seine erste Tätowiermaschine (vermutlich von Bert Grimm) zu erwerben. Von dieser Reise stammen vermutlich auch einige Tattoo-Flashs, die sich aus Bögen ausgeschnitten und eingeklebt in Samys erstem Vorlagenalbum befinden. Ein Nachdruck dieses Albums ist bereits geplant. Die Tattoodesigns werden durch Fotos und Skizzen aus den frühen Jahren Streckenbachs ergänzt.
Im Oktober 1964 verzog er nach Frankfurt am Main in die Kurt-Schumacher-Straße 2 und eröffnete am 15. Oktober 1964, zusammen mit Ella Streckenbach, das Studio für modernen Haut- und Körperschmuck, das er bis zum Zwangsverkauf aufgrund von Steuerschulden in Höhe von 300.000,– DM aufgeben musste. Das Finanzamt Frankfurt hatte ihm zunächst den Künstlerstatus zuerkannt und Samy setzte über viele Jahre den ermäßigten Steuersatz an. Im Zuge einer Betriebsprüfung wurde dieser Status nicht anerkannt und auch die Folgeinstanzen entschieden gegen ihn. Samy verlor seine gesamten Ersparnisse, seine Altersversorgung und sein Studio. Dieser Verlust und der Tod von Ella im Jahr 1983 warfen ihn völlig aus der Bahn.
Eine beginnende Demenzerkrankung und sein gesundheitlicher Gesamtzustand hatten erheblichen Einfluss auf die Qualität seiner Tätowier-Arbeiten, die er gelegentlich noch ausführte. Als man ihn dann noch von den Frankfurter Conventions ausschloss, war seine Verbitterung komplett. Zumal er es war, der im Oktober 1980 zusammen mit Terry Wrigley die erste Tattoo-Convention in Frankfurt organisierte.

Streckenbach kann als DIE Schlüsselfigur der neuzeitlichen Tätowierer- und Piercing-Szene Deutschlands bezeichnet werden. Seine Motive haben eine völlig neue Handschrift, im Gegensatz zur bis dahin verbreiteten Old-School-Tätowierung. Er verwendete seit den späten 1940er Jahren aufwendige florale Motive und weiche Ornamentik; viele dieser Motive sind erst heute nach beinahe siebzig Jahren im Allgemeingebrauch.

Er fertigte seit den frühen 1960er Jahren seine Maschinen selbst und betrieb ab 1973 einen eigenen Supply; den ersten in Deutschland überhaupt.

Samy Streckenbach war ein wahrer Pionier der Tattoo und Piercing-Szene; man kann ihn geradezu als Avantgardisten bezeichnen. Leider blieb sein Gesamtwerk bis heute weitestgehend unbeachtet.

Ein Forschungsprojekt des Instituts für deutsche Tattoo-Geschichte e.V. (IDTG) wertet seit Okt 20148 den Streckenbachnachlass aus. Manfred Kohrs, der 1997 das Institut begründete, hat Dr. Ole Wittmann in den Vorstand berufen und mit der Forschungsleitung betraut. Ziel ist es, alle erhaltenen Objekte wissenschaftlich aufzuarbeiten und in Publikationen und anderen Medien, sowie Ausstellungen für eine breite Öffentlichkeit leicht zugänglich zu machen. Abschließend bitten wir um Unterstützung des Projektes.

Aufruf des IDTG:
Sie haben ein Streckenbach-Objekt (Flash, Zeichnung, Schablone, Fotografie, Brief, Visitenkarte o. ä.) in Ihrer Sammlung oder ein Tattoo von Samy Streckenbach? Oder Sie kennen jemanden, der eines hat?
Haben Sie Bekanntschaft mit Samy gemacht oder Hinweise zu Bekannten oder Verwandten?
Wenn Sie weiterhelfen können bitten wir Sie, uns zu kontaktieren:
INSTITUT FÃœR DEUTSCHE TATTOO-GESCHICHTE e.V. (IDTG)
Schubertstr. 14a | 30900 Wedemark
T. +49 (0)5131 451 98 68
E. info@idtg-ev.de

(Bild: C 1979 Manfred Kohrs)





Portrait eines Pioniers der deutschen Tätowiererszene

Portrait eines  Pioniers  der deutschen Tätowiererszene
 

Manfred Kohrs, deutscher Tätowierer und Konzept-Künstler der siebziger und achtziger Jahre; Schüler des Meistertätowierers Horst Helmut (Samy) Streckenbach; Mitkonstrukteur einer Rotationstätowiermaschine; der 14. selbständig tätige Tätowierer Deutschlands und im Jahr 1977 Gründer der ersten deutschen Tätowierervereinigung; Kohrs zählt zu einer Avantgarde der 1970er Tattoo-Künstler und gilt als einer der Pioniere der modernen Tätowiererszene.

Manfred Kohrs wurde am 24. Januar 1957 in Hannover geboren. Er tätowierte sich mit zwölf Jahren das erstes Tattoo auf den Arm, und begann im Alter von 13 Jahren „mit Nadel und Faden“ selbst mit der Tätowiererei.
Im Jahr 1975 ließ er sich von Herbert Hoffmann tätowieren und erlernte die Grundlagen der Arbeit mit einer Tätowiermaschine. Am 7. Oktober 1975 traf Kohrs, im Kunstverein Hannover auf Horst Heinrich Streckenbach (Tattoo Samy) und den Kunstprofessor und Totalkünstler Timm Ulrichs. Ulrichs hatte einige „Old-Skool“-Tätowiermotive auf Leinwand ausgestellt und Kohrs ließ sich von Streckenbach tätowieren. In den folgenden Jahren erlernte Kohrs bei Streckenbach weitere Techniken des tätowierens und es entstand eine enge Freundschaft.
Im Jahr 1977 lud Manfred Kohrs alle in Deutschland gewerblich gemeldeten Tätowierer – darunter auch Streckenbach, Herbert Hoffmann, Dr. Dietz (Henry Dixon) und Theodor Vetter, zu einem Informationstreffen nach Hannover ein. -Zu jener Zeit gab es im gesamten Bundesgebiet lediglich 14 selbstständig tätige Tätowierer-. Zweck dieses Treffens war in erster Linie die Gründung einer nationalen Vereinigung, um anschließend technische und hygienische Standards einzuführen. Streckenbach und Kohrs waren zur damaligen Zeit die einzigen beiden deutschen Tätowierer, die einen Autoklaven zur Sterilisation der Geräte einsetzten. Das Treffen in Hannover verlief jedoch weitgehend ergebnislos, sodass Manfred Kohrs lediglich mit acht Teilnehmer die erste Interessenvereinigung deutscher Tätowierer gründete. Kohrs nahm daraufhin Kontakt mit dem US-Tätowierer „Philadelphia“ Eddie Funk auf und engagierte sich zunächst im National Tattoo Club of the World.
Zwischen 1978 und 1984 reiste Kohrs mehrfach in die USA, besuchte Tattoo-Conventions und publizierte in Verbandsmagazinen und Zeitschriften. Auf der ersten „Convention“ des National Tattoo Club of the World, vom 23. bis 25. März 1979 im Cosmopolitan Hotel in Denver (Colorado), traf er u.A. auf Don Ed Hardy und Terry Wrigley , der ihn als 25. Mitglied in die European Tattoo Artist Association (E.T.A.A.) aufnahm.
Ab 1981 realisierte Manfred Kohrs, als Mitglied des Kunstvereins Hannover, einige künstlerische Projekte und widmete sich mehr der Malerei, Body Art und Konzeptkunst. Er zeichnete Kartoons und gegen Ende der achtziger Jahre entwarf er für Rudolf Schenker von den Scorpions diverse Motive, aus denen 1987 das Werk „Zukunftsmusik“ entstand.
Die Tätowiererei hat Manfred Kohrs schließlich einem wirtschaftswissenschaflichem Studium geopfert und ist heute in der Unternehmens- und Steuerberatung tätig.
-Forschung-
Kohrs ist Gründungsmitglied und Vorstandsvorsitzender des Instituts für deutsche Tattoo-Geschichte (IDTG). Der Hamburger Kunsthistoriker Dr. Ole Wittmann ist dort Vorstandsmitglied und wissenschaftlicher Leiter. Seit Mai 2018 arbeitet Kohrs am laufende Forschungs- und Ausstellungsprojekt „Der Nachlass des Hamburger Tätowierers Christian Warlich (1891–1964)“mit, das von Wittmann durchgeführt und kuratiert wird. Das IDTG beschäftigt sich mit der „Durchführung wissenschaftlicher Veranstaltungen und Forschungsvorhaben zur deutschen Tätowier-Geschichte im internationalen Kontext.“ Kohrs publiziert eigene Erinnerungen und Ergebnisse seine Forschungsarbeit u. a. im Tattoo Kulture Magazine.

(Quellen: Hannoversche Allgemeine Zeitung, Hannoversche Presse, Cellesche Zeitung, NaNa, Offenbacher Tageblatt, Tattoo Kulture Magazin etc. )





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